Das Labyrinth als Lebensweg
Labyrinthe waren schon vor unserer Zeitrechnung bekannt als Lebensweg, als Weg in die Tiefe des eigenen Lebens. Als eines der berühmtesten und erhabensten Beispiele kann man das Labyrinth in der Kathedrale von Chartres sehen. Es steht für den spirituellen Werdegang des Menschen und wurde jahrhundertelang als „Ersatz“ für das Pilgern nach Jerusalem begangen. Ich selbst durfte auch meine Erfahrungen damit machen ...
Erwachen ins Licht
Höhepunkt einer geomantischen Reise war der Besuch von Chartres mit seiner Kathedrale, die auf einem uralten Kraftplatz erbaut wurde. Mit einem ganz besonderen Führer hatten unsere Gruppe die Gelegenheit, Räume in dem Gebäude zu besichtigen, die nicht jedem Besucher offenstehen. Darüber hinaus durften wir – ganz früh am Morgen – das Labyrinth alleine mit unserer Gruppe begehen.
Zunächst ist es wichtig, sich richtig darauf ein zu stimmen, den Schritt über die „Schwelle“ zugehen und sich auf diesen Weg einzulassen. Man geht etwa 300 m – idealerweise zwei Schritte vorwärts, einen rückwärts – in denen man anderen begegnet, in denen Lebenssituationen auftauchen, man denkt es bald „geschafft“ zu haben, da gibt es wieder eine Wendung und man wähnt sich dem Ziel, der Mitte, wieder ganz weit entfernt ...
In der Mitte angekommen, hatte ich ganz unterschiedliche Wahrnehmungen: zum einen die Trauer, dass ich diesen wunderbaren Platz wieder verlassen werde, aber auch das wunderbare Gefühl eines „Fahrstuhls zum Licht“. Am Ende stellte sich eine Zufriedenheit, und Leichtigkeit ein, sodass der Rückweg nicht schwerfiel.
Das Labyrinth als touristische Attraktion
Als dann die Kirche für alle geöffnet wurde, haben wir uns nochmals unter die Menge begeben und es war „wie im richtigen Leben“. Menschen begehen das Labyrinth als touristische Attraktion, wohl unvorbereitet und überholen, drängeln, lassen ganze Wegstrecken aus, um nur ja schnell ans Ziel zu kommen. Ich befürchte, sie haben nicht wirklich etwas von der Kraft eines Labyrinths gespürt. Dabei verändert so ein Labyrinth die Ortsqualität und in der Mitte kann man die „hohe Ladung“ spüren – zumindest an Orten wie Chartres.
Labyrinth oder Irrgarten?
Ein Labyrinth ist bitte nicht zu verwechseln mit einem Irrgarten! Das Labyrinth besteht aus einem einzigen verschlungenen Pfad, der zur Mitte führt, währen der Irrgarten – oft im Maisfeld o.ä. viele Abzweigungen und Sackgassen enthält, die ein Herausfinden erschweren soll – eher zum Spaß. Auch bei einem Labyrinth darf man durchaus hinterfragen in welchem Sinne es gestaltet und angelegt wurde.
Internationaler Tag des Labyrinths: 13. Oktober
Nicht jeder möchte gleich eine Reise nach Chartres antreten – obwohl ich diese sehr empfehlen kann – um mal in so ein Labyrinth hinein zu spüren. In der näheren Umgebung kann man meist auch einige finden. Mitten in München, im Innenhof des neuen Rathauses zum Beispiel. Wegen verschiedener Veranstaltungen und Bestuhlung des Ratskellers ist es allerdings meist nicht frei zu begehen – schade, denn es ist dem Labyrinth von Chartres nachempfunden. Im kirchlichen Umfeld finden sich Labyrinthe ebenso wie in Parks oder in der Natur. Einfach mal ausprobieren!
Im kommenden Jahr werde ich, wenn möglich, auch Workshops dazu anbieten >>
Ein paar Links, um Labyrinthe zu finden:
Kardinal-Döpfner-Haus, Freising >>
Fotocredits:
Maksim | Wikipedia; Emphyrio |Pixabay;